Vom Mut zur (Lebenslauf-)Lücke

Wie man einen lückenhaften Lebenslauf für seine Karriere nutzt

Da sitzt er nun vor mir, der Manuel, mit einem Lebenslauf, dessen Lücke länger ist als seine Karriere. Er hat einen guten Grund für diese Lücke, einen persönlichen. Gelernt hat er einen Beruf als Metallverarbeiter. Dieser Beruf ist heiß begehrt, eine Umschulung schon allein von daher schwierig. Jetzt will er IT-Techniker werden. Mit diesen Eckpunkten atmet der Personaler, der Job-Trainer, der Business Coach erst einmal tief durch. Okay, go for it, denke ich mir und höre mir Manuels Geschichte an. Sie ist berührend, und endet mit der Phase, in der er in einem halben Jahr 30 Kilo abgenommen hat. Er zeigt mir, und das auch ganz ohne Worte, dass er bereit ist, alles für einen Neustart zu geben.

Viele Stunden verbringt Manuel im Seminarraum

In den intensiven Wochen, die wir miteinander verbringen, arbeiten wir zuerst am Mindset, mit innerer Haltung, mit den Werten. Die darauffolgende Aktivität ist reines Handwerk – Bewerbungsanschreiben, Lebenslauf, die richtigen Kontakte suchen und bewerben, bewerben, bewerben. Für das gute Gefühl hat Manuel einen “Plan B” in der Tasche.

Die Wochen vergehen, gefüllt mit Arbeit und “back and forth” – zwei Schritte vor, ein Schritt zurück. Das erste Praktikum ist absolviert, das erste Job Offer als IT-Mitarbeiter ist ausgesprochen. Doch Manuel merkt, dass er noch nicht am Ziel ist mit diesem Angebot. Er hat es klar vor sich: er will IT-Systemtechniker werden. Neben der Arbeit mit mir findet er auch einen Kollegen, der bereits IT-Erfahrung hat und Coder werden will – Thomas. Dieser unterstützt ihn ebenfalls.

Auch Thomas arbeitet an seinem Traumjob

Und innerhalb eines Vormittages geschieht es: ein richtiger Kontakt führt zum nächsten, ein hilfreicher Mensch führt Manuel zu einer Firma – die ihm nach zwanzig Minuten Gespräches einen Job anbietet, in welchem er die IT-Systemtechnik von der Pike auf lernt und noch dazu ein familiäres, wertschätzendes Umfeld vorfindet. Manuel ist glücklich.

Manuel und Thomas sind glücklich – sie haben ihren Traumjob gefunden

Und wie gehst DU mit der Lücke in Deinem Lebenslauf um?

Gleich vorweg: eine Lücke im Lebenslauf ist alles, was länger als zwei Monate dauert. Nicht als Lücke gilt dabei eine sinnstiftende Tätigkeit wie bei einer karitativen Einrichtung ehrenamtlich zu arbeiten – wie Ärzte ohne Grenzen oder dem Roten Kreuz – , oder sich weiterzubilden, oder etwa ein Praktikum zu machen.

Legitim als Lücke im Lebenslauf ist auch eine mehrwöchige Phase aufgrund von beruflicher Neuorientierung. Personalentscheider legen auf die Lücke erst einmal den Fokus, um festzustellen, was in dieser Zeit los war. Ging es um Krankheit, um die Änderung der Lebenssituation wie einer Scheidung, oder um einen tragischen Fall in der Familie, wird der Personaler, die Personalerin dies milder beurteilen als einen buchstäblichen “Durchhänger” ohne besonderen Grund.

Mut zur Ehrlichkeit

Egal, aus welchem Grund Du zwischen zwei Jobs eine längere arbeitslose Phase hattest oder hast: versuche niemals, den Lebenslauf zu “pimpen”, aufzumotzen, indem Du mit Tricks arbeitest und anstatt der gängigen Monats- und Jahresangabe nur das Jahr angibst. Das durchschaut das personal-geschulte Auge sofort. Auch mit “x Jahren Erfahrung” anstatt der tatsächlichen Dauer einer Anstellung durchschaut der Human Resources – Experte sofort den Trick und erkennt die Lücke dahinter.

Vom Job Training zum Traumjob

Keine Tricks !

Es ist kein Geheimnis, dass in Krisenzeiten die Jobsituation schwieriger sein kann. Bist Du tatsächlich auch davon betroffen, formuliere es klar und deutlich, zum Beispiel mit “Stellenabbau aufgrund der Corona-Pandemie”. Auch Krankheit soll nicht beschönigt werden. Selbstverständlich ist aus Datenschutz-Gründen keine Diagnose anzuführen. Als gutes Beispiel dient hier “Auszeit aus gesundheitlichen Gründen”. Den Rest kannst Du im Vorstellungsgespräch erzählen, wenn es notwendig ist. Mit der Versicherung, dass Du jetzt wieder voll und ganz einsatzfähig bist.

Auch die Pflege kranker Angehöriger ist ein Dienst, der Personalexperten interessiert. Wenn diese Phase im Lebenslauf auftaucht, ist folgende Formulierung hilfreich: “Pflege der schwer erkrankten Mutter.”

Wer entlassen wird, darf genau formulieren, ob er unverschuldet oder selbst verschuldet entlassen wurde. Bei unverschuldetem Entlassen – etwa, weil die Firma in die Insolvenz geschlittert ist oder Stellen abbauen musste – erkläre kurz und prägnant, warum. Ein Beispiel ist “Kündigung wegen Insolvenz”. Bei Selbstverschulden wird es knifflig: denn Du bist selbst schuld, dass Du den Job verloren hast – aus welchen Gründen auch immer. Ein absolutes No-Go ist es, die Schuld dafür jemand anderem in die Schuhe schieben zu wollen oder gar auf jemanden zu schimpfen – und möge es auch der Wahrheit entsprechen, bist Du gut beraten, dies mit keinem Wort im Lebenslauf zu erwähnen.

Langzeit-Arbeitslosigkeit

Hier gilt es wirklich, alle Register zu ziehen: von positivem Wording, also “arbeitsuchend” anstatt “arbeitslos”, über Deine Überlegung, was genau Du alles gemacht hast, das job-relevant sein könnte. Gaming gehört hier meist nicht dazu, sehr wohl aber bloggen, HTML-Kenntnisse oder Social Media Marketing-Kenntnisse im Selbststudium. Diese wirst Du, wenn es zu einem Vorstellungsgespräch kommt, auch beweisen können – und müssen.

Der Einsatz in einem Verein könnte Dir ebenfalls zu einem neuen Job verhelfen, gerade beim Roten Kreuz, bei der Feuerwehr, bei der Wasserrettung, denn diese Aktivität weist Dich als engagierten, an Menschen interessierten sozialen Mitmenschen aus – Charaktereigenschaften von Menschen, die man gerne im Team haben möchte.

Fakt ist, dass eine Lücke im Lebenslauf nicht automatisch als negativ gesehen wird. Wichtig für Dich ist, dass Du diese gut begründen kannst und dabei ehrlich und positiv bist. Die Faustregel für Dich lautet hier:

Is it nice ?

Is it true ?

Is it helpful ?

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Erst, wenn Du alle drei Fragen mit “ja” beantworten kannst (oder vielmehr mit yes), dann schreibe es auf Deinen Lebenslauf – und sprich es bei einem möglichen Vorstellungsgespräch an, denn mit so einem Lebenslauf ist die Lücke kein Problem, das rät Dir

Deine “Leo Coach”

Mag. Waltraud Leobacher

Karriere-Komplizin, Kommunikationswissenschafterin & Business Coach



Quellen:

09.11.2022

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