Im Auge des Schneesturms

Samstag, 20. März 2021

Wenn es steil bergab geht und Du zu rutschen beginnst…

Es schneit und schneit. Noch lässt der Frühling, der kalendarisch beginnt, auf sich warten. Es ist Samstag, und mein Liebster und ich sind schon früh aufgestanden. Wir sitzen im Wohnzimmer beim Kaffee. Der schwarze Kater hockt auf der Rücklehne des Sofas und chillt. Wir bieten ein beschauliches, trautes Bild der ländlichen Stille.

Wer hätte das vor einem Jahr gedacht ? Als plötzlich von heute auf morgen das Leben eines jeden auf der ganzen Welt sukzessive heruntergefahren worden ist.

Ich habe auf einmal meinen Beruf nicht mehr ausüben dürfen. Und über Nacht, innerhalb einer Woche, mein Business zu einem Großteil auf online und von Gruppen- auf Einzeltraining umgestellt.

Ein Jahr ist das nun her. Ein Jahr mit Höhen, und ganz vielen Tiefen, mit Ängsten, zerbrochenen Hoffnungen, stillgelegten Freundschaften und der Suche nach Perspektive. Ein ganzes Jahr im Ausnahmezustand.

…dann konzentriere Dich auf Deinen starken Rücken und streck die Arme hoch…

Heute bin ich glücklich. Ich weiß, wir Menschen sind extrem anpassungsfähig. Genauso beschrieb es mein jüngster Sohn gestern. Ich hatte ihn vom Grundwehrdienst abgeholt und wir unterhielten uns im Auto. „Nach zwei Kilometern Fußmarsch konnte ich nicht mehr. Und dann sind wir noch acht Kilometer gegangen.“

Besser kann ich nicht beschreiben, wie sehr wir in diesem Jahr an den Herausforderungen wachsen konnten. Viele haben den Job gewechselt. Von heute auf morgen ein völlig neues Leben aus dem Boden gestampft.

Die Partnerschaft, die Familie hat einen neuen Stellenwert bekommen. Zeit mit den Lieben zu verbringen war vor dem großen „C“ oft ein Lippenbekenntnis, etwas, das wir uns vornehmen, wenn der Alltag ruhiger werden würde.

… und nimm Anlauf für die geschmeidige Rolle vorwärts….

Nun, der Alltag ist ruhiger geworden. Scheinbar ruhiger. Ruhiger im Außen, während im Auge des „C“s der Sturm tobt. Jetzt merken wir, wie wenig Menschen wir tatsächlich brauchen , wenn es nur die richtigen sind. Wir merken, wer uns hilft. Wer bei uns bleibt. Mit wem wir durch diese spannende Zeit reisen wollen und können. Es geht eine soziale Katharsis vor sich. Eine innere Läuterung. Dabei vermisse ich persönlich heftig all meine Freunde, die, die ich schon seit Monaten nicht mehr gesehen habe.

… sodass Du weich auf der Seite landest und Dich abstützen kannst…

Familie ist der Fels. Ich sagte das, obwohl ich kein Vorzeige-Familienleben führe. Es handelt sich dabei eher um eine leicht chaotische Wohngemeinschaft. Genau so, wie das auch vor dem großen „C“ war. Aber was ist dann der Unterschied zu jetzt ? Da muss ich nachdenken. Er ist im Außen weniger sichtbar, dieser Unterschied. Wie gesagt, das Bilderbuch-Familienleben führen wir immer noch nicht. Die Menschen, die in unser Haus aus- und eingehen, sind viel weniger geworden. Die, die auch jetzt aus- und eingehen, das sind die, mit denen wir gerne sehr viel Zeit verbringen.

… und im Weiterfallen fließend und anmutig auf die Hinterbeine kommst…

Unsere soul buddies. Die uns durchs Leben tragen, so wie wir sie. Mit denen wir durch Himmel und Hölle gehen. Komme, was wolle. Ja, das ist es. Das ist der Unterschied zu vor „C“. Die Bedeutung der Beziehungen ist deutlicher spürbar geworden. Die wenigen Beziehungen, die wir nun persönlich führen, haben spürbar mehr Tiefgang.

... bis Du die gefährliche Situation unter Kontrolle hast.

Hier herinnen in der guten Stube ist es still.

Im Auge des Sturms herrscht absolute Ruhe.

Der „C“-Sturm draußen tobt weiter.

Im Auge des „Schnee-Sturms“ bin ich glücklich

Dass wir Menschen sehr anpassungsfähig sind und glücklich sind in schwierigen Zeiten, heißt nicht, dass wir die Probleme nicht sehen. Es heißt, dass wir sie sehend meistern, und uns gemeinsam miteinander weiter entwickeln, uns helfen und stärken, und gerade im ganz kleinen Kreise die Kraft schöpfen für die mutigen Taten draußen, das wünscht uns allen

Eure Leo

Mag. Waltraud Leobacher

Kommunikationswissenschafterin & Coach

Bewegungsphilosophin & Herz-Rockerin

Verantwortlich für Text und Bilder: Mag. Waltraud Leobacher