Die Gemeinsamkeiten – die Unterschiede – das Beste für uns


Wenn wir an eine Body-Mind-Bewegung denken, wird uns zuerst wohl Yoga einfallen. Yoga ist eine tausende von Jahren alte Lebensart aus Indien, die den Körper, den Geist und die Seele in Einklang bringt. Auch Pilates ist eine Body-Mind-Bewegung, eine Schöpfung der Neuzeit, doch diese ist gerade erst einmal hundert Jahre alt. So viele Einflüsse Yoga auch in die Pilates-Methode hat, so ist Yoga doch der Methusalem der Bewegung.
Pilates ist eine Trainingsmethode in der Prävention, zur Stärkung des Körpers und des Geistes, während Yoga ein ganzheitlicher Ansatz ist, bei dem Spiritualität und Meditation zusätzlich eine wesentliche Rolle spielen.
Beide Formen der Bewegung sind heute ein fester Teil unseres Gesundheits-Systems und weltweit anerkannt. Der Zusammenhang von körperlichem Ausdruck und innerlichen Befindlichkeiten ist heute wissenschaftlich bewiesen und vereint diese Lehren. Beide Body-Mind-Bewegungen vereinen Kraft, Beweglichkeit, Konzentration und Balance, und für beide ist die Betitelung “Sport” nicht weit genug gegriffen.

HERKUNFT
Yoga

In der alt-indischen Sprache Sanskrit heißt Yoga „anbinden“. Der Körper wird mit der Seele und diese schließlich an das Göttliche angebunden. Dabei ist unser Körper das Werkzeug. Unter den vielen verschiedenen Richtungen von Yoga unterscheiden wir im wesentlichen drei Traditionslinien: das religiöse Yoga, das seit dem 6. Jahrhundert vor Christus existiert, das klassisch philosophische Yoga, seit etwa 2 Jahrtausenden, und das Hatha Yoga, seit dem 9. Jahrhundert nach Christi. Diese Praxis fokussiert die Stellungen, Atemübungen und Meditation. Westliches Yoga ist vor allem Hatha-Yoga, das mit Pilates am ehesten vergleichbar ist.
Pilates

Joseph Hubertus Pilates, geboren am 09.12.1883 in Mönchengladbach Nähe Düsseldorf, gestorben am 9. Oktober 1967 in New York, entwickelte sein Kräftigungsprogramm über die Jahre auch während der Weltkriege für Soldaten, wobei die Feldbetten als Matten dienten, für Scotland Yard, und schließlich in seinem Studio in New York für die Profi-Tänzer, weswegen Pilates bis heute mit dem Ballett eng verbunden ist. Die Profi-Tänzer/innen erreichen durch Pilates Leistungssteigerungen. Der Schöpfer selbst nannte sein Programm „Contrology“ aufgrund der Kontrolle, die auf Atmung und Ausführung der Übungen ausgeführt wird. Erst nach seinem Tode entwickelte sich die Bezeichnung Pilates.
DER FOKUS VON PILATES & YOGA
Der Lebensstil
Während wir Pilates ausüben, um unseren Lebensstil zu verbessern, wird Yoga gelebt – Yoga selbst ist also ein Lebensstil.

Die Bedeutung der Übungen
Bei Pilates stehen die Übungen im Vordergrund, um den Körper aufzurichten. Bei Yoga sind diese Übungen, die so genannten Asanas, nur ein Teil des Weges zur Selbsterkenntnis.
Die Atmung
Sowohl beim Yoga als auch bei Pilates steht die korrekte Atmung im Vordergrund. Während wir bei Yoga durch die Nase ein- und ausatmen, um die Energie im Körper zu erhalten, atmen wir bei Pilates ein durch die Nase, um die frische Luft in den Körper zu schleusen, und aus durch den Mund, um die verbrauchte Atemluft auszustoßen.
Während die Atemtechnik bei Yoga unter anderem das Werkzeug für das Verharren in einer Position ist, ist sie bei Pilates das Werkzeug, um die Dynamik der Übungsabfolge zu steuern.

Bei Yoga wird mittels Atemtechniken die Lebensenergie (Prana) ausgedehnt. Während Pilates mit dem Atem die Übungsabfolge steuert, ist bei Yoga die Atemtechnik ein eigenes komplexes Übungssystem namens Pranayama, mittels derer sich der Geist entspannt. Das ist umso wichtiger, je länger wir in der Position verweilen sollen. Dies bringt uns auch schon zu der nächsten Unterscheidung – der Verweildauer in den einzelnen Stellungen.
Die Dynamik
So viele Yogastile es auch gibt, ihnen gemeinsam ist das lange Halten von Positionen. Die verschiedenen Atemtechniken, Pranayama, unterstützen uns dabei durch das Lenken der Aufmerksamkeit auf den Atem. Dadurch fällt es uns leichter, auch in komplexen Stellungen zu verharren.
Pilates hingegen ist dynamisch, wir wiederholen gewisse Übungen einige Male und kombinieren diese mit dem Atem. Wir atmen ein beim leichten Teil, mit dem Ausatmen wird der anstrengende, fordernde Teil einer Übung durchgeführt.

Die Spiritualität
Was bedeutet eigentlich Spiritualität ?
Spiritualität bedeutet, dass uns bewusst ist, dass hinter allem eine höhere Macht steht. Es bedeutet, dass sich in allem, was wir erleben, das Göttliche zeigt, und wir das Göttliche auch in uns spüren können – zum Beispiel, wenn wir uns in der Natur aufhalten und uns mit dieser verbinden. Wenn wir gelassen und heiter unseren Weg gehen und die Hindernisse mit Kraft und Beweglichkeit überwinden, sind wir auf einem guten Wege zur Erleuchtung. Es geht bei der Spiritualität nicht darum, dass wir möglichst lange leben, oder möglichst lange gesund sind, sondern darum, anzunehmen, was ist – im besten Falle mit einem Lächeln im Gesicht.
Jeder von uns kann spirituelle Erfahrungen haben, indem wir uns um uns selbst kümmern, um unsere Lieben, unsere Umwelt, um unser Leben. Indem wir Dinge tun, die uns sinnvoll erscheinen, wie etwa, dass wir uns viel in der Natur aufhalten und uns somit selbst heilen. Achtsamkeit uns und unserer Umwelt gegenüber ist ein wichtiger Aspekt eines erfüllten Lebens. Ob wir dies über Yoga erfahren oder über Pilates, Meditation, Phänologie, oder über andere Heilmethoden – das ist eine persönliche, individuelle Entscheidung.

Die Religion
Yoga ist eng verbunden mit dem Buddhismus und ist in Asien entstanden. Pilates hingegen ist westlich orientiert und ist frei von Glaubensrichtungen.
Die Einstellung
„Alles kann, nichts muss“ beschreibt das Prinzip von Yoga. Diese Denkart befreit uns von dem Denken in Mängeln, in Fehlern und leitet uns hin zu einer wertfreien Entwicklung. Dem gegenüber ist Pilates sehr klar strukturiert, jede Übung hat einen Muskelfokus und ein klar definiertes Ziel.
Das Ziel
Das höchste Ziel von Yoga ist die Erleuchtung. Dabei steht die Seele im Fokus. Mittels Meditationsübungen und Besinnung wird Stress reduziert. Wir können also sagen, dass Yoga den Geist beruhigt und uns mental stärkt. Yoga dient unserer ganzheitlichen Entwicklung, es schließt auch die Ernährung ein.
Pilates zielt ganz konkret auf einen aufgerichteten, starken und beweglichen Körper ab, durch welchen wir auch mentale Stärke erreichen. Das Lösen von Verspannungen und Stärken einzelner Muskelgruppen ist dabei wesentlich. Pilates dient dem Aufbau der inneren Tiefenmuskulatur, der Straffung des Körpers und einer guten Haltung. Bei dieser Art des Trainings arbeiten wir von innen nach außen – von den kleinen, tief liegenden Muskeln zu den großen Muskeln.

Was ist besser für mich – Yoga oder Pilates ?
Die Frage ist – was möchten wir erreichen ? Während das Prinzip im Yoga „Alles kann, nichts muss“ jeden einschließt und eine fließende Entwicklung ermöglicht, ist Pilates strukturiert und fußt auf sechs Prinzipien. Diese sind die Atmung, die Konzentration, die Zentrierung, die Kontrolle, die Präzision und der Flow der Übungen. Die Anwendung all dieser Prinzipien in einer Übungs-Stunde bildet die Grundlage von Pilates. Wofür wir uns entscheiden, ist also auch Einstellungs-Sache: wie viel Freiraum oder Struktur brauchen wir denn tatsächlich für die Bewegung ?
Darüber hinaus habe ich Euch ein paar Fragen an die Hand gegeben, die Euch weiterhelfen sollen bei der Überlegung, wohin die Reise gehen soll.
Ich möchte betonen, dass dies meine persönliche Einschätzung ist und jemand, der sich sehr viel mehr mit Yoga beschäftigt hat als ich, selbstverständlich andere Erkenntnisse hat. Ich bitte Euch, das bei Euren Überlegungen zu berücksichtigen. Vielen Dank ! Also, los geht´s:

Testfragen:
(Notiere neben der Nummer alle Deine „ja“)
1. Will ich mich ganz frei bewegen und brauche dafür wenige korrigierende Anleitungen?
2. Brauche ich klare Anweisungen, um auch meinen persönlichen Erfolg zu sehen?
3. Möchte ich mich beim Üben auf meine geistige Entspannung konzentrieren ?
4. Will ich mich beim Üben vorrangig auf mein körperliches Wohlergehen konzentrieren ?
5. Bin ich offen für die Lehren aus dem Buddhismus ?
6. Möchte ich beim Üben selbst auch gleich die spirituelle Komponente beachten ?
7. Brauche ich das Üben hauptsächlich, um körperlich fit und gesund zu sein ?
8. Brauche ich mehr Straffheit und feste Muskulatur ?
9. Möchte ich beweglicher werden ?
10. Bin ich interessiert an der Aufrichtung und Verbesserung meiner Haltung von innen nach außen ?
11. Möchte ich mich mit Atemtechniken zur Entspannung beschäftigen ?
12. Will ich mir regelmäßig Zeit nehmen für 90 Minuten Bewegung (mind. 1 x pro Woche) ?
13. Will ich mir regelmäßig Zeit nehmen für 50 Minuten Bewegung (mind. 1 x pro Woche) ?
14. Brauche ich hauptsächlich ein Werkzeug für verbesserte Haltung ?
(Pro Yoga: Ja für 1., 3., 5., 6., 9., 11., 12. Pro Pilates: 2., 4., 7., 8., 10., 13., 14.)
Was passiert, wenn Ihr nun genauso so oft zu Yoga „ja“ gesagt habt wie zu Pilates ? Ganz klar – das sind viele Male „ja“ für Bewegung im Leben ! Denn Yoga und Pilates sind perfekt kombinierbar. Wichtig ist, dass wir uns eine/n authentischen, professionellen Trainer/in suchen, den/die wir gut „riechen“ können, dem/der wir vertrauen und der/die uns motiviert, dranzubleiben. Denn dieser Lebenscoach ist es, der Euch durch Euer bewegtes Leben begleitet, und dabei ist es tatsächlich zweitrangig, welche Bewegungen er oder sie ausführt und ob diese einen indischen oder einen englischen Namen hat. Die Hauptsache ist, dass Ihr durch diese Begleitung jugendlich-beweglich, entspannt und aufrecht durch Euer Leben marschiert, und das wünscht Euch von Herzen
Eure Leo Coach
Verantwortlich für Bild und Text: Mag. Waltraud Leobacher
Leobacher hat u.a. die umfassende Studio-Ausbildung “Comprehensive Pilates Studio Education” des weltweit agierenden Pilates-Ausbilderinstitutes BASI© Body Arts & Science International, Los Angeles, bei Natascha Eyber im Pilates House in München gemacht. Der BASI(c)-Gründer Rael Isakowitz hat das Basis-Werk „Pilates Anatomy“ auf der Grundlage der wenigen schriftlichen Überlieferungen (wie „Return to Live Through Contrology, 1945) von Pilates herausgebracht und von den direkten SchülerInnen von Joseph Pilates gelernt, wie etwa von Kathleen Standford Grant.
Quellen:
Mit dem Körper beten – Yoga zwischen Spiritualität und Fitness (Archiv) (deutschlandfunk.de) , 09.02.2021
Spirituell – Yogawiki (yoga-vidya.de) , 09.02.2021
Pilates oder Yoga? Welches Training ist effektiver? , 09.02.2021
Bibliographie:
Pilates Anatomie, Rael Isacowitz, Karen Clippinger, Copress Sport: München, 2011.