
Sind die Faszien trainierbar ? Diese Frage beschäftigt und erhitzt die Gemüter quer durch Bewegungs-, Manualtherapie- und Faszienforschungs-kreise hinweg seit Jahren – seitdem die Faszienforschung 2007 im ersten Fasziensymposium weltweit in Boston gezeigt hat, was die Faszie ist und was sie kann. Es handelt sich bei der Faszie um ein dreidimensionales Spinnennetz, das sich durch den ganzen Körper durchzieht, Muskulatur an Knochen anbindet, Körperteile miteinander verspannt, Muskeln und Organe einpackt und schützt.
https://www.arte.tv/de/videos/078162-002-A/xenius-faszien/
Bevor wir die eingangs gestellte Frage beantworten, sehen wir uns erst einmal das myofasziale System an. Myo bedeutet Muskel, und gemeinsam mit dem Bindegewebe, den Faszien, bilden diese eine funktionelle Einheit im Körper. Faszien umhüllen jede Muskelfaser, jedes Muskelfaserbündel, und formen die Muskulatur. Faszien sind also von der Muskulatur in der Bewegung nicht zu trennen. Das geht soweit, dass bei Bewegungsmangel, beispielsweise nach einer Operation, nach welcher der Körper lange ruhig gestellt ist, das Gewebe um die Muskulatur verfilzen kann. Das kann zur Folge haben, dass sich der Muskel unter der Bindegewebsschicht nicht mehr bewegen kann, dass sogar Nerven durch diese Verfilzungen eingeklemmt werden können. Die Folge ist Schmerz.
Wenn die Muskulatur untrennbar mit der Faszie verbunden ist – kann man die Faszie dann überhaupt spezifisch trainieren ?
Treten wir nun den Beweis an und beginnen wir, auf einer Hartschaumrolle Körperteile zu rollen. Neueste Geräte machen die Dicke der Faszien messbar. Es kann dadurch praktisch festgestellt werden, dass die Faszie durch das Rollen auf der Hartschaumrolle fester wird. Doch warum wird die Faszie fester ? Ob das Rollen das Bindegewebe tatsächlich fester macht, so wie die Messergebnisse zeigen, oder ob die gerollte Muskulatur als Schutzreaktion einfach fester wird, gilt es noch wissenschaftlich zu belegen. Praktisch kann das Rollen tatsächlich Verspannungen lösen, den Muskel aufwärmen und sogar Muskelkater lindern.
Hüpfen, wie Seilspringen und Hopserlauf, federnde Bewegungen wie Schwunggymnastik und spezifisches Fasziendehnen verbessern nachweislich die Zugkraft und machen den Körper verletzungsresistenter und zugleich beweglicher. Dazu gibt es bereits zahlreiche Studien.
Fest steht, dass spezifische Dehnungen einen mechanischen Übertragungs-effekt im Körper auslösen – und zwar sogar zwischen Kopffaszie und Achillessehne. Denn im Grunde ist dieses 3 D – Körpernetz eine große, von Kopf bis Fuß alles verbindende Faszie, die unseren Körper bewässert, die Gelenke nährt, die Organe verpackt, die Muskulatur einhüllt und formt und so den Körper aufrichtet, geschmeidig und beweglich hält.
Es erscheint logisch, dass die Faszien ohne Muskeln nicht allein bewegt werden können, da diese ja untrennbar miteinander verbunden sind. Doch mittels spezifischer Bewegungen, die auf die Faszie abzielen, können wir die Sprungkraft und Resistenz der Faszien erhöhen, können Verklebungen lindern und lösen und die Muskulatur auf ein Training vorbereiten. Auf diese Weise ist das Team Muskel & Faszie tatsächlich ein dynamisches Duo und kann als solches ganz individuell trainiert werden.
Mag. Waltraud Leobacher
Kommunikationswissenschafterin, Bewegungscoach & Bloggerin “Fascianista”
Inhaberin des Pilates-Studios GSUNDHAUS
Mattsee, 12.09.2019
Bibliographie: Xenius: Faszien. Bindegewebe auf dem Prüfstand. Halbstündiger Film auf arte.tv verfügbar vom 20/08/2019 bis 18/11/2019.